Neuaufbau mit neuen Gesichtern

Die Scorpions sind nicht kleinzukriegen

„Erstens kommt es anders – und zweitens als man denkt!“ – mit dieser oder einer ähnlichen Überschrift könnte man das letzte halbe Jahr der Stuttgart Scorpions zusammenfassen. Denn nachdem sich die Leistungen in der letzten Saison vor Corona stabilisiert hatten – nach der Relegation 2018 erreichte man 2019 zumindest wieder das Viertelfinale – sollte es weiter aufwärts gehen. Doch es kam nicht nur anders, sondern gar schlimmer. So stand im Frühjahr gar der Fortbestand des gesamten Vereins auf der Kippe.

Ausgangspunkt war die Gründung der European League of Football (ELoF) im November 2020. Zügig verkündeten die Scorpions, damals unter Führung von Volker Lässing, mit von der Partie sein zu wollen. Parallel zum Spielbetrieb der GFL. Nachfragen von intern wie extern, wie genau dies vonstattengehen sollte – schließlich wurde recht schnell publik, dass diese Konstellation auf Verbandsebene nicht vorgesehen war und zum Lizenzentzug in der GFL wie auch bei den Junioren und Damen führen könnte – wurde zumeist aus dem Weg gegangen bzw. blieben unbeantwortet.

In der Folge bildete sich im Verein eine Opposition um den heutigen Vorsitzenden Roland Pellegrino. Diese forderte Antworten auf eine Vielzahl von Fragen und Transparenz bzgl. der weiteren Planung. Gemeinsame Gespräche verliefen ergebnislos, sodass es bei einer achtstündigen Mitgliederversammlung Ende März zur Grundsatzfrage kam, welcher Ausrichtung die Mitglieder folgen wollen. Zur Abstimmung stand ob der Verein der ELoF-Franchise die Namensrechte abtreten würde, was wie bereits erwähnt zum Lizenzentzug durch den Verband und dem damit verbundenen Ausbluten des Vereins hätte führen können. Knapp zwei Drittel der Anwesenden stimmten aber dagegen, womit sich der Verein deutlich von der ELoF abgrenzte.

Zweiter wichtiger Punkt war die Wahl eines neuen Vorstands. Hier setzte sich das Team um Pellegrino durch, somit hatten er und seine drei Mitstreiter*innen am Ende des Abends nicht nur den Vorsitz über die Scorpions inne, sondern damit verbunden auch einen ganzen Berg voller Probleme auf ihrem Tisch.

Zum Beispiel standen, drei Monate vor Saisonstart, für die GFL weder Spieler noch Trainer unter Vertrag. Erschwerend kam hinzu, dass etliche Spieler des alten Kaders von einem Engagement in der ELoF träumten und mit ihnen von daher kaum geplant werden konnte. Nichtsdestotrotz gelang es dem zuständigen Vorstand Cesare De Pauli ein neues Team auf die Beine zu stellen. Tragende Säulen sollen hierbei der von der Southern Oregon University verpflichtete Quarterback Wyatt Hutchinson und Running Back Giacomo De Pauli sein, der sich in den letzten Jahren zu einem echten Leistungsträger entwickelt hat. In der Verteidigung soll Defensive Back Marcus Bratton eine tragende Rolle übernehmen, allerdings haben sich bei diesem nach Vertragsunterzeichnung noch formelle Hindernisse ergeben, sodass derzeit noch nicht endgültig entschieden ist, ob er für die Scorpions im Einsatz sein wird oder nicht.

Angeführt werden die Skorpione des Jahres 2021 vom neuen Head Coach Jeff Scurran. Dieser gilt als Experte hinsichtlich der Förderung und Entwicklung junger Spieler. Und genau jene sollen das Fundament für die Zukunft bilden, verfügen die Scorpions doch nach wie vor über ausgezeichnete Jugendarbeit. Auf diesem Fundament soll ein Team gebaut werden, das langfristig andere Ziele hat als nur den Kampf ums Überleben. Denn – und hier sind sich alle Beteiligten einig – nur darum geht in der kommenden Saison: Sportlich zu überleben, d.h. wenn möglich, ohne den Umweg Relegation, die Klasse zu halten, um in den folgenden Jahren langsam wieder den Blick nach oben zu richten. Schließlich wird, bei aller neugewonnenen Bescheidenheit, langfristig nichts anderes als das erwartet unterm Fernsehturm.

Als Assistenten für seinen Coaching Staff stehen Scurran Eric Weaver (Offensive Line), Marcus Bratton (Defensive Backs, sofern die Verpflichtung Bestand hat, s.o.) und Michael Eichel (Defensive Line) zur Verfügung. Eichel kehrt dabei an seine alte Wirkungsstätte zurück, an der er bereits rund 15 Jahre lang als Spieler und Coach aktiv war.

Auch abseits des Feldes sollen wieder Ruhe und Stabilität einkehren. Hierbei hoffen die Verantwortlichen vor allem auf Unterstützung durch die treuen Fans des Clubs. Ob die im Saisonverlauf in den Genuss kommen werden, Heimspiele live im Stadion zu verfolgen, ist derzeit noch unklar. Allerdings wurde in den vergangenen Wochen ein Hygienekonzept entwickelt, welches im Bedarfsfall, d.h. bei entsprechenden Genehmigungen durch Stadt und Land, auch auf Zuschauer angewandt werden kann. Für den Fall der Fälle werden die Scorpions also gerüstet sein. (JH)

Text: Jack Hanson
Bild: Scorpions